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3. Dezember 2015 4 03 /12 /Dezember /2015 15:32

Amtsgericht Neustadt/Aisch fällt mildes Urteil.

Zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und 11 Monaten verurteilte das Amtsgericht Neustadt/Aisch den ehemaligen stellvertretenden Landrat des Landkreises Neustadt/Aisch - Bad Windsheim. Die Strafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, zusätzlich muss Kirsch 2000 € an die Freiwillige Feuerwehr Neustadt/Aisch bezahlen, oder dort 200 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.

Unmittelbar nach Beginn wurde die Sitzung von der Richterin unterbrochen, um in einer etwa 20- minütigen Besprechung mit den Parteien den Strafrahmen abzustecken. Trotzdem wurde das Geschehen dann noch aufgerollt.

Für eine vom DDR- Regime verstaatlichte Papierfabrik im Chemnitzer Raum wurde bereits vor über 20 Jahren eine größere Entschädigungssumme an die Erben ausbezahlt. Die sieben Erben hatten Kirsch damals eine Vollmacht ausgestellt und diese nach dem damaligen Erhalt des Geldes nicht widerrufen. Im Februar 2013 kam dann aus heiterem Himmel eine von niemandem erwartete Nachzahlung in Höhe von 174.800 € beim immer noch bevollmächtigten RA Kirsch an. Hier ist offensichtlich eine Lücke im Rechtssystem, weil eben nur der bevollmächtigte Rechtsanwalt, jedoch nicht die Erben selber benachrichtigt wurden. Kirsch befand sich exakt zu diesem Zeitpunkt in einer extremen finanziellen Notlage. Durch eine Nachlässigkeit musste Kirsch noch bei der Insolvenz eines ehemaligen Kanzleikollegen mithaften. Kirsch war zwar bereits längst aus dieser Nürnberger Kanzlei ausgeschieden, hatte dies aber rechtlich nicht komplett vollzogen. Zusätzlich hatte die Buchhandlung seiner Frau immer wieder Zuschussbedarf und die in Neustadt eröffnete Anwaltskanzlei lief sehr schlecht.

Ende 2013 war das Geld dann aufgebraucht. Zu diesem Zeitpunkt beantragten zwei der Erben eine Nichtveranlagungsbescheinigung beim Finanzamt, wo dann aber mitgeteilt wurde, dass dies nicht möglich sei, weil ja diese Nachzahlung aus Chemnitz eingetroffen sei. Die beiden überraschten Erben fragten bei Kirsch deswegen nach, dadurch flog die Unterschlagung auf. Kirsch gab sofort alles zu und stellte eine Rückzahlung und eine Verzinsung von 6 % in Aussicht, er konnte die Erben auch dazu bewegen, von einer Anzeige abzusehen, weil er aus dem Gefängnis heraus keine Rückzahlungen bewirken könne.

Einer der Erben sah jedoch nicht ein, dass ein Rechtsanwalt und stellvertretender Landrat für einen solchen extremen Vertrauensbruch ungestraft davon kommen sollte und erstattete Anzeige. Damit wurden Ermittlungen der Kripo ausgelöst, die sich jedoch lange hinzogen. Erst Anfang 2015 erfolgte bei Kirsch aus heiterem Himmel eine Hausdurchsuchung und erst jetzt erfuhr Kirsch, dass Anzeige erstattet worden war.

Auffallend war das aus Sicht vieler Zuhörer sehr wohlwollende Plädoyer des Staatsanwaltes. Hervorgehoben wurden das sofortige Geständnis und die Bereitschaft, den Schaden wieder gut zu machen. Aus Sicht vieler Zuhörer traf dies jedoch nicht den Kern der Sache, weil Sachverhalt und Beweismittel so eindeutig waren, dass auch ohne Geständnis eine Verurteilung möglich war. Offensichtlich sollte lediglich ein geringeres Strafmaß ermöglicht werden.

Der Verteidiger des Angeklagten erwähnte, dass Unterschlagungen von Rechtsanwälten keine ausgesprochene Seltenheit seien. Erst kürzlich habe ein Fürther Anwalt eine noch größere unterschlagene Summe in einer einzigen Nacht in der Spielbank verjubelt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sich die von Kirsch geschädigten Erben in keiner Notlage befanden, wie dies oft bei z. B. Schmerzensgeld- Klagen nach Unfällen der Fall sei.

Aus Sicht der wohl meisten Zuhörer war das von Anklage und Rechtsanwalt geforderte Strafmaß viel zu niedrig, letztlich konnte man dann aber auch Verständnis haben, weil Kirsch bei einer höheren Strafe im Gefängnis gelandet wäre und hier eben keine Wiedergutmachung des finanziellen Schadens erarbeiten konnte.

Eine noch größere Dimension bekommt die Sache, wenn man die zeitlichen Abläufe zur Kommunalwahl 2014 berücksichtigt. Obwohl Kirsch damit rechnen musste, dass die Unterschlagung auffliegen würde, strebte er die Kandidatur zum Landrat für die SPD an und riskierte als Kreisvorsitzender enormen Schaden auch für die eigene Partei. Auch als die Landratswahl erwartungsgemäß vorloren wurde und sich danach eine Zusammenarbeit von CSU und SPD auf Kreisebene abzeichnete, strebte Kirsch mittels Ellbogenarbeit eine auch innerhalb der SPD umstrittene Kandidatur als stellvertretender Landrat an. Sehr wahrscheinlich spielte bei Kirsch auch die Aussicht auf erkleckliche finanzielle Aufandsentschädigungen eine große Rolle. Eigentlich wollte man den bisherigen dritten Landrat Bernd Schnizlein zum Landratsstellvertreter machen. Durch die sich sehr lange hinziehenden Ermittlungen wurde die Unterschlagung erst Anfang 2015 öffentlich bekannt, als Kirsch längst im Amt war.

Nach dem Verlust aller Ämter und der Rückgabe seiner Anwaltszulassung stand der jetzt 57- jährige Kirsch wieder vor dem Nichts. Sein Parteikollege und MdL Harry Scheuenstuhl stellte ihn dann als wissenschaftlichen Mitarbeiter ein, laut Kirsch mit einem Nettogehalt von knapp 3000 €. Damit will Kirsch jetzt diese Rückzahlungen von monatlich 1000 € bestreiten. Davon sind jedoch 875 € nur Zinsen, sodass nur 125 € für die Tilgung der unterschlagenen 174.800 € verbleiben. Damit ist abzusehen, dass Kirsch die Gesamtsumme niemals wird zurückzahlen können. Was Kirsch macht, wenn sein MdL Scheuenstuhl bei der nächsten Wahl nicht wieder gewählt werden sollte, steht wohl in den Sternen. Glücklicherweise ist die Gefängnisstrafe nur für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt, so dass Kirsch vorrangig nur diese verhältnismäßig kurze Zeit überstehen muss.

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Erstattung für Mitarbeiter: Für wissenschaftliche Mitarbeiter und Bürokräfte können Abgeordnete gegen Nachweis bis zu 7524 Euro pro Monat erstattet bekommen. ... Wie viel verdienen eigentlich unsere Abgeordneten?

http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Wie-viel-verdienen-eigentlich-unsere-Abgeordneten-id25342731.html

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